Das abbröckelnde Denkmal

14.11.2014

What I Talk About When I Talk About Running,  das Buch von Haruki Murakami über Langlauf und Schreiben,  vor über zehn Jahren veröffentlicht. Wie weit das seine Routine heute noch widerspiegelt? Weiterhin einen Marathon pro Jahr oder ist er voll auf Triathlons umgestiegen? Oder hat er das Ganze an den Nagel gehängt und schläft dafür morgens länger? In dem Alter, in dem er sich jetzt befindet, habe ich den New York Marathon gewonnen und Berlin stand noch einige Jahre bevor.  Ob sein Körper noch mitmacht, die Rennerei zehrt an einem, ich habe insoweit Glück, aber wie sieht es bei ihm aus? Ich weiß nichts über seine Lebensgewohnheiten, außer was er eben in diesem Buch preisgibt. Und seine Romane, mit diesem japanischen Tonfall, der mir immer gefiel. Darauf baue ich mir sein Bild auf, dieses tatsächlich sehr positive Bild. Ich hoffe, er hat die Langlaufroutine beibehalten. Sonst ginge diesem Bild die Luft aus. Die Langlaufroutine und die Schreibroutine und wie sie sich beide befruchten.

Aber mit einem Mal gerät dieses Bild aus ganz anderem Grund ins Wanken.  James Frey, der etwas kontroverse amerikanische Schriftsteller, beschrieb kürzlich seine eigene Praxis dahin, dass er in erster Linie die Konzepte entwickle und dann die Bücher gegen Bezahlung von Dritten schreiben ließe. Er stehe damit nicht allein, betont er, sondern andere wie Haruki Murakami oder der Künstler Jeff Koons machten dies ebenso, lediglich die Ideen beizusteuern und dann die Ausführung Assistenten zu überlassen. Von Jeff Koons weiß man das, ich habe sein Studio in New York vor zwei Jahren besucht, es wimmelte von Mitarbeitern, nur der Meister selbst war nicht anwesend, und warum auch? Aber Haruki? Ich kann diese Anschuldigung von James Frey  einfach nicht glauben. Dieser Klang bei Harukis Prosa, das kann nur die eine Stimme sein. Aber dann ist Jeff Koons auch unverwechselbar.

Die ersten Risse in meinem perfekten Bild von ihm. Dritte schreiben zu lassen, das  wäre vergleichbar der Einnahme von leistungssteigernden Aufputschmitteln beim Langlauf. Was bei ihm keinesfalls der Fall gewesen ist, denn in seinem Buch beschreibt er ja gerade das allmähliche Absinken seiner sowieso nicht besonderen Zeiten. Also ein Zeichen des Erfolgs beim Schreiben? Die Gunst des Marktes nutzen, die Schnelllebigkeit unserer Zeit verlangt nach neuen Produkten in immer kürzeren Intervallen. Das zermürbende und zeitaufwendige Abringen des Textes, ein Prozess, der sich nicht ohne weiteres beschleunigen lässt. Aus diesem Grund passte von Anfang an der Vergleich des Langlauftrainings mit dem mühsamen Abfassen der Seiten, Running and Writing, wie sie sich konsequent ergänzen.

Umso mehr bleibt die Frage, wie Haruki es jetzt mit Langlauf und Schreiben hält. Vielleicht finden wir einen Termin auf der Frankfurter Buchmesse 2015, danach ein Langlauf am Main entlang?