05. Mai 2013
Wenn es regnet, bleibe ich zu Hause und wechsle aufs Laufband um, zwar unwillig, aber ausfallen lass ich den Lauf wetterbedingt nicht. Allerdings, wenn es während des Laufs zu regnen beginnt, mache ich weiter, auch wenn ich erst hundert Meter zurückgelegt habe. Plötzlich macht der Regen nichts mehr aus, ganz im Gegenteil, als steigere sich die Produktion der Endorphine. Haruki Murakami läuft einfach jeden Tag, egal ob Regen, Sturm, Schnee oder Eis. Er muss abgehärteter sein als ich. Oder nur sturer.
Einer meiner schönsten Läufe war vor Jahren im Sommer im Central Park in New York. Ein drückend schwüler Tag, die Luft schwer, gefüllt mit dämpfigem Meeresgeruch. Beim Laufen war man sofort nassgeschwitzt. Plötzlich fing es zu regnen an. Ein warmer Sommerregen, als hätte sich die Schwüle zu Regentropfen verdichtet. Der Regen brachte etwas aufregend Befreiendes, je nässer ich wurde, umso übermütiger meine Stimmung. Ich fing den Regen auf der ausgestreckten Zunge auf, lachte und sang laut vor mich hin, kindisch, ja, aber wann lässt sich ein kindisches Glück auf diese Weise nochmal am eigenen Leib erleben? Beim Abendessen in einem der vornehmen New Yorker Restaurants versuchte ich vergeblich, den anderen diese Erfahrung zu vermitteln. Das muss man selbst erlebt haben, wenn eine Reihe besonderer Umstände aufeinander treffen und etwas völlig Alltägliches zum Außergewöhnlichen machen. Ein Gefühl wie Sex.
Haruki und Sex. Ich bin noch nicht mit seinem Buch durch, aber bisher habe ich nichts zu Running und Sex gefunden. Sollte man eigentlich erwarten. Aber vielleicht ist er nie an einem schwülen Sommertag im Central Park im Regen gejoggt.