17.April 2013
Offensichtlich müssen wir laufen, Haruki und ich, wie unter Zwang, warum sonst jeden Tag? Aber dann treiben uns scheinbar doch unterschiedliche Gründe. Ich laufe früh am Morgen, fast noch im Halbschlaf, meine erste Handlung des Tages. Ich erlebe mit, wie sich in der kühlen Morgenluft mein Kopf allmählich klärt. Irgendwann denke ich unweigerlich über die Stelle nach, an der ich gerade arbeite. Die Gedanken laufen ziemlich unkontrolliert, aber häufig erkenne ich dann Szenen und Entwicklungen, die mir vorher nicht aufgefallen sind. Die sich jetzt genau zum richtigen Zeitpunkt aus dem Unterbewusstsein herausschälen. Am Ende meines morgendlichen Laufs weiß ich ziemlich genau, wie es heute weitergehen wird.
Haruki Murakami ist auch Frühaufsteher, er steht sogar noch vor mir auf, aber bei ihm geht es dann sofort ans Schreiben. Vier bis fünf Stunden, dann hört er auf, bevorzugt an einem Punkt, an dem er genau weiß, wie es am nächsten Tag weitergeht. Erst dann der Lauf, wie ein Akt der Befreiung, bei dem er sich löst und entspannt. Die Musikstöpsel im Ohr, an nichts denkend, oder wenn er denkt, fließen die Gedanken wie kleine bunte Wölkchen vorbei. Er braucht das Laufen nicht zum Schreiben, sondern für den Rest des Tages. Ich muss morgens erst den Endorphinschub aus meinem Körper spüren. Schwer vorstellbar, Schreiben ohne vorher zu laufen. Das Hoch durch die Endorphine, und dann gleich der Mittagsschlaf?